Kernfrage: will man eine Kunsthalle zukünftig noch haben oder nicht

Auf einer gut besuchten Mitgliederversammlung des SPD – Ortsvereines Wilhelmshaven West begrüßte der Vorsitzende Karlheinz Föhlinger neben dem Bürgermeister Uwe Reese und dem SPD – Fraktionsvorsitzenden Howard Jacques Dr. Jürgen Fitschen. Dr. Fitschen, Leiter der Wilhelmshavener Kunsthalle, sprach zu dem Thema „Kunsthalle und neue Museumslandschaft in Wilhelmshaven“.

Dr. Jürgen Fitschen

Er habe, so Dr. Fitschen, im damaligen Westberlin Kunstgeschichte studiert. Bevor er zum Leiter der Wilhelmshavener Kunsthalle berufen worden sei, seien Stationen seines beruflichen Schaffens unter anderem das Gerhard-Marcks-Haus in Bremen und das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte in Schleswig gewesen.

Sofort angesprochen habe ihn die Architektur der Kunsthalle. Das 1968 vom Architekten Frank Sommerfeld entworfene, sachliche und an die Bauhaus-Vorbilder angelehnte Gebäude sei ein Baudenkmal mit nationaler Bedeutung – ein Gebäude mit einem offenen Grundriss, welches sich in drei Ebenen ausbreite: in die untere, in die obere und in die mittlere Ebene. Diese in der Folge der internationalen Moderne des Neuen Bauens entstandene Architektur sei einmalig in der Bundesrepublik.

Die vier bis fünf in der Kunsthalle stattfindenden Ausstellungen hingen, so Dr. Fitschen, von vielen Fördermitteln ab, darunter wesentlich von denen des Landes Niedersachsen. Das Einwerben dieser Mittel sei nicht immer einfach und oft an Bedingungen geknüpft, die teilweise zur Uniformität der Ausstellungsprogramme in den Kunstvereinen und Instituten des Landes führe. Insgesamt sei die Finanzierung und die Aufrechterhaltung des Kunstbetriebes in zunehmenden Maße eine Herausforderung. Der Etat der Wilhelmshavener Kunsthalle etwa sei in den letzten 20 Jahren durch Kürzungen und inflationsbedingte Kaufkraftverluste erheblich abgesunken. Die Kernfrage, ob man eine Kunsthalle zukünftig noch haben wolle oder nicht, sei dabei nie eine wirklich finanzielle gewesen (Anteil am städtischen Haushalt 2017: 0,1 %). In den vergangenen 50 Jahren sei ferner außer der allernotwendigsten Bauunterhaltung am Gebäude de facto nichts geschehen, so dass eine kontinuierlich gesunkene Leistungsfähigkeit auf allgemein wachsende Anforderungen getroffen sei (zum Beispiel: Energie, Barrierefreiheit, Klima, Licht, Depot und Werkstatt, Marketing, Museumspädagogik). Schon seit den neunziger Jahren sei es deshalb immer schwieriger geworden, etwa bedeutende Leihgaben für zugkräftige Ausstellungen zu akquirieren, Vermittlungsangebote bereitzustellen oder Veranstaltungen zu bewerben. Die auf diese Weise in Gang gesetzte Spirale führe notwendig eine kritische Lage.

Deshalb, so Dr. Fitschen, sei es unumgänglich, in Zukunft zu einer neuen Idee für die Kunsthalle zukommen: Eine Neuausrichtung des Programms in neuer Trägerschaft sei sinnvoll. Das Kunstangebot solle sich grundsätzlich an alle Bürgerinnen und Bürger inner- und außerhalb Wilhelmshavens richten. Die Programm müsse Spiegel nach Innen und Außen sein und stärker den Kontakt mit der Stadt suchen, etwa über die Identität und Geschichte der Stadt und der Menschen erzählen, die hier leben und arbeiten. Diese Gesichtspunkte hätten durchaus touristische Aspekte: Sie trügen zur Angebotsvielfalt in einer dynamischen Tourismusumgebung bei und könnten Botschafter der Marke „Wilhelmshaven“ sein. Diese Überlegungen seien mit in die neue Kulturstiftung, bestehend aus der Kunsthalle, dem Küstenmuseum und dem Wattenmeer-Besucherzentrum, einzubringen. Es gelte, diese drei Einrichtungen sinnvoll und fair zusammenzuführen und in den kommenden zwei Jahren einen Plan zu entwickeln. Seine Umsetzung werde sich auf die dann folgenden Jahre erstrecken. Darin enthalten seien auch ambitionierte Vorhaben wie die Erneuerung der Infrastruktur der beteiligten Häuser, etwa eine Sanierung der Kunsthalle, oder Neubauten. Da völlig neue Strukturen entstehen müssten, sei dies ein komplexer Vorgang, der Geduld und Weitsicht erfordere. Daran mitzuwirken, so Dr. Fitschen, sei eine seiner wichtigsten Aufgaben in den nächsten Jahren. Nur so werde die Kunsthalle nach 50 Jahren einen Schritt weiterkommen und letztendlich eine größere Wirkung erzielen.

In der sich anschließenden Diskussion lobten die anwesenden Mitglieder des SPD – Ortsvereines West ausdrücklich die vom Rat beschlossene Kulturstiftung. Mit diesem Beschluss gebe es auch neue Perspektiven für die Kunsthalle. Einig waren sich die Ortsvereinsmitglieder, dass die Förderrichtlinien des Landes Niedersachsen zur Förderung der Kunsthallen und Museen überarbeitet werden müssten. Dadurch, dass regionale Kunst beispielsweise nicht gefördert werde, könne die Kunst der Region durch die Bürgerinnen und Bürger nicht identifiziert werden.

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